Korpuslinguistik ist in. Nachdem über lange Jahrzehnte die empirische Grundlage sprachwissenschaftlicher Forschungen in einigen Bereichen zu wünschen übrig ließ, erlauben digitale Techniken nun vielfältigen Umgang mit großen Korpora und gewaltigen Datenmengen. Das eröffnet neue und noch keineswegs ausgeschöpfte Möglichkeiten, kann aber auch zu einem Quantifizierungswahn verführen, als lieferten Zahlen und statistische Werte an sich selbst schon Erkenntnis. Dieser OBST-Band plädiert für eine sorgfältige theoretische und methodische Reflexion. Vor allem fünf Problemgruppen werden behandelt: (1) das Verhältnis von Quantität (statistisch erfasst in Zahlen) und Qualität (hermeneutisch erfasst in Begriffen und Interpretationen), (2) das Verhältnis von Empirie und Theorie, wenn sich denn diese Dichotomie überhaupt sachgemäß halten lässt, (3) das Verhältnis von verfügbarer Technik und wissenschaftlicher Methode, (4) Zugang und Nachhaltigkeit für Anschlussforschungen sowie (5) Güte und Gültigkeit der Daten. In zwölf Beiträgen werden diese Themen informativ, diskussionsfreudig, kritisch und konstruktiv beleuchtet, und zwar meist aus der Sicht konkreter einzelner Projekte.
Inhalt
Joachim Gessinger, Angelika Redder & Ulrich Schmitz
Kopf oder Zahl? Potentiale, Probleme und Perspektiven der Korpuslinguistik
Noah Bubenhofer
Wenn „Linguistik“ in „Korpuslinguistik“ bedeutungslos wird. Vier Thesen zur Zukunft der Korpuslinguistik
Daniel Knuchel & Janine Luth
Zugängliche Daten im Netz. Herausforderungen beim Korpusaufbau mit besonderer Berücksichtigung rechtlicher und ethischer Aspekte
Kristin Bührig
Skandalisierung aus sprachwissenschaftlicher Sicht: Einige Überlegungen zu Daten, Korpora und Möglichkeiten der Auswertung von Skandalkommunikation
Ludwig M. Eichinger
Korpuslinguistik im Alltag linguistischer Forschung
Joachim Gessinger
Perceptual Linguistics. Methodenkritische Anmerkungen zu einer vielgestaltigen Forschungsrichtung
Ulrich Schmitz
Korpuslinguistik – Wissenschaft ohne Gelehrte? Möglichkeiten und Grenzen eines Bildkorpus für Linguistic Landscapes
J. Berenike Herrmann & Gerhard Lauer
Korpusliteraturwissenschaft. Zur Konzeption und Praxis am Beispiel eines Korpus zur literarischen Moderne
Max Grüntgens & Thomas Kollatz
Korpusbasiertes Arbeiten und epigraphische Datenbanken: Möglichkeiten und Herausforderungen am Beispiel von EPIDAT und DIO
Alexander Geyken & Susanne Haaf
Integration heterogener historischer Textkorpora in das Deutsche Textarchiv: Strategien der Anlagerung und Perspektiven der Nachnutzung
Jan Wirrer
Harte Daten, weiche Daten. Wissenschaftstheoretische, sprachtheoretische und methodologische Fragen an die Korpuslinguistik
Jens Philipp Lanwer
Was steckt in den Daten und was stecken wir hinein? Möglichkeiten und Grenzen der gebrauchsbasierten Rekonstruktion sprachlicher Strukturen
Franz Januschek
Rezension: Neuland, Eva (2016): Deutsche Schülersprache. Sprachgebrauch und Spracheinstellungen Jugendlicher in Deutschland. Unter Mitarbeit von Daniel Buchenauer, geb. Schubert