Der Erste Weltkrieg spielte sich nicht nur dort ab, wo Armeen operierten und Schlachten geschlagen wurden. Er war im Hinterland ebenso spürbar. Das galt auch für die Städte an Rhein und Ruhr. Mit dem Beginn des Krieges änderte sich das Leben ihrer Bewohner grundlegend. Familien mussten auf ihre Ernährer verzichten, die als Soldaten ins Feld zogen. Alle Versorgungsgüter wurden knapp. Die Geschlechterordnung geriet ins Wanken, weil viele Frauen neue Aufgaben übernahmen. Die Stimmung, die im Sommer 1914, durch den Begriff „Augusterlebnis“ allerdings verklärt, noch von Optimismus und Kampfbereitschaft geprägt war, verschlechterte sich zusehends. Je länger der Krieg dauerte, desto monströser wurde die Zahl der Gefallenen, deren Schicksal zu immer wieder neuen Sinndeutungen herausforderte.
Diesen Dimensionen der Kriegsrealität gehen die Beiträge des Bandes nach. Elf Autorinnen und Autoren haben sich in den Archiven der Rhein-Ruhr-Region auf Spurensuche begeben, um bisher wenig bekannte Aspekte der Sozial-, Alltags- und Mentalitätsgeschichte des Ersten Weltkrieges zu erschließen.
INHALT
Frank Becker
Einleitung
I. Die Stimmungslage bei Kriegsbeginn
Moritz Herzog
Allgemeiner Jubel oder gemischte Gefühle? Der Kriegsbeginn 1914 in der Duisburger Tagespresse
Vanessa Vogt
Das „Augusterlebnis“ in Gelsenkirchen. Eine Untersuchung der lokalen Berichterstattung
Kyra Palberg
Begeisterung oder Entschlossenheit? Die Kriegsbereitschaft der Essener Bevölkerung im August 1914
II. Soziale Probleme und Wohlfahrtspflege
Daniel Zimer
Erste Maßnahmen der Kriegsfürsorge und -wohlfahrtspflege in Bochum
Frank Becker
Arbeiterschaft und Kriegsbeginn 1914. Die Firma Krupp in Essen
III. Die Bewältigung des Alltags
Lukas Bergmann
1914-1918: Leben an der Heimatfront in Kleve
Jan Matschke
Der Kriegsbeginn 1914 und die ersten Kriegsmonate in Wesel
Carsten Michael Buck
Krieg und Ernährung – eine Herausforderung für Stadt und Bevölkerung. Das Beispiel Burgsteinfurt
Nora Düding
Der Erste Weltkrieg in seiner Auswirkung auf den Alltag und die Erlebniswelt von Frauen
IV. Totenkult und Gefallenengedenken
Helena Esser
„Dem Auge fern, dem Herzen ewig nah“. Heimat und Heldentod in Oberhausen 1914-1918
Anne Büttner
Denkmalskultur und Gefallenengedenken nach dem Ersten Weltkrieg im Raum Duisburg
Frank Becker ist Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Duisburg-Essen. Ausgewählte Schriften zur Geschichte des Krieges: Bilder von Krieg und Nation. Die Einigungskriege in der bürgerlichen Öffentlichkeit Deutschlands 1864-1913, München 2001; (Hg.) Zivilisten und Soldaten. Entgrenzte Gewalt in der Geschichte, Essen 2015.
Kritiken und Pressestimmen
„[…] Die einzelnen Beiträge sind hervorragend strukturiert und didaktisch aufbereitet, sie entwickeln plausibel ihre Fragestellung und ihr Thema und verfügen in der Regel über eine Zusammenfassung der Ergebnisse, die nicht nur dem Rezensenten die Orientierung erleichtern. Vor allem aber erschließen sie neue Quellen und sind damit wichtige Beiträge zur regionalen Forschung. Der Band stellt eine äußerst gelungene Verbindung von akademischer Ausbildung und Forschung mit regionalgeschichlichen Fragestellungen dar, die hoffentlich als Vorbild für ähnliche Projekte dienen wird.“
(Heinrich Theodor Grütter, in: Forum Geschichtskultur Ruhr, ISSN 1436-7661, Ausgabe 02/2015, S. 79.)
„[…] Insgesamt bietet der aspektreiche Sammelband detaillierte Einblicke in den konkreten Kriegsalltag in den untersuchten Städten. Die Ergebnisse der neueren Weltkriegsforschungen werden am lokalen Beispiel durchweg bestätigt und in mancher Hinsicht vertieft. Vieles kann allerdings im begrenzten Rahmen von Aufsätzen nur angerissen werden, und ausführliche monographische Studien zu einzelnen Städten bleiben deshalb wünschenswert.“
(Jürgen Müller, Globaler Krieg – lokale Folgen. Zu den Auswirkungen des Ersten Weltkriegs auf kommunaler und regionaler Ebene, in: Historische Zeitschrift, Bd. 302, H. 1, Februar 2016, S. 117.)